Kuba vor einer neuen Diktatur

64 Jahre Herrschaft über die Insel Kuba beweisen trotz der katastrophalen Ergebnisse für die kubanischen Gesellschaft in jeder Hinsicht die Effizienz eines totalitären Systems zur Aufrechterhaltung der Macht, sobald diese einmal erreicht ist. Dazu bedient es sich verschiedener Instrumente wie Wirtschaft, Justiz, Polizei, Medien, Bildung, Kultur und gesellschaftlichen Druck auf die Bürger. Den Einsatz dieser Mittel zu erklären, wäre eine lange Geschichte, daher konzentriert sich dieser Artikel nur auf die wirtschaftlichen Aspekte.

Die Tyrannei der Castros

Fidel Castro errichtete seine charismatische Regierung als persönliche Diktatur mit dem Flair einer marxistischen Ideologie, um die wirtschaftliche und militärische Unterstützung des damaligen sozialistischen Lagers zu erhalten. In seinen ersten Jahren an der Macht waren Fidels Vorhaben ein Abbild seiner persönlichen Launen und Wünsche. Später richtete er ein „Koordinations- und Unterstützungsteam für den Oberbefehlshaber“ ein, mit dem eine parallele Regierung zur offiziellen etabliert wurde. Das Team versuchte, Einnahmequellen in Fremdwährungen zu erschließen und auf einem unkontrollierten Bankkonto zu bunkern. Zu diesem Zweck wurden das Militärkonsortium GAESA und Unternehmen wie Simex gegründet, welche Produkte importierten und in Divisen an die Bevölkerung verkaufte. Das Konto des Kommandanten war das Konto, das wirklich zählte. Bereits lange Zeit davor hatte Castro das bestehenden Wirtschaftsgefüge, das auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln beruhte, zerschlagen. Nachfolgend sind die dabei eingesetzten Maßnahmen und Gesetze aufgeführt:

Eine Agrarreform, deren größte Errungenschaft darin bestand, den Großteil des Ackerlandes in den Händen des Staates zu konzentrieren und eine Immobilienreform, die das Eigentum an den Mietwohnungen auf die jeweiligen Bewohner übertrug aber den Bau neuer Wohnungen einschränkte. Zuerst wurden die Firmen der ausländischen Eigentümer beschlagnahmt und diese Maßnahme kurz darauf auf kubanische Unternehmen ausgeweitet. Höhepunkt dieser Aktionen war das Jahr 1968 in dem jegliche private Wirtschaftstätigkeit verboten wurde. Die privaten Produktionsmittel von 55.636 Betrieben und Kleinproduzenten wurden beschlagnahmt, darunter Gebrauchsgegenstände wie Nähmaschinen, Mixer oder Werkzeuge. Diese Maßnahmen gaben dem Staat eine nahezu uneingeschränkte Macht über diese Beschäftigten, die nun gezwungen waren, ihre Arbeitskraft gegen vom Staat selbst festlegte Löhne zu verdingen. Wirtschaftliche Verbesserungen erreichte man nicht mehr durch Effizienz und persönliche Leistung, sondern vielmehr als Belohnung für die Loyalität gegenüber der Regierung.

Als vom sozialistischen Lager nur noch Kuba und Nordkorea blieben, verschwanden damit auch die Subventionen, die das kubanische System genoss und das Land fiel in eine noch nie dagewesene Krise, euphemistisch „Sonderperiode“ genannt. Endlich war die Gleichheit, nämlich die Gleichheit im Elend, in Kuba geschafft! Angesichts des Zusammenbruchs der Wirtschaft hatte der Caudillo keine andere Wahl, als einen freien Bauernmarkt zu erlauben, um die Situation der Bevölkerung etwas zu erleichtern. Der Besitz des Dollars, für den zuvor viele Kubaner mit Gefängnis kamen, wurde entkriminalisiert. Die wirtschaftliche Herrschaft über die Bürger erlitt ihren ersten Schlag.

Im Juli 2006 löste Raúl Castro seinen erkrankten Bruder vorläufig an der Regierungsspitze ab und übernahm 2008, nach dem Rücktritt Fidels aus gesundheitlichen Gründen, offiziell die Präsidentschaft der Republik.

Ohne die messianischen Ambitionen seines Bruders und eher zur Ordnung neigend, beendete dieser den „fidelistischen“ Regierungsstil. Das ehemalige Unterstützungsteam und sein Personal verschwanden von der nationalen Bühne. Er begann regelmäßig Ministerräte abzuhalten und versprach strukturelle Veränderungen, die Wirtschaft und Gesellschaft ankurbeln würden. Er befürwortete eine wachsende Zahl der sogenannten Beschäftigten auf eigene Rechnung, also der nichtstaatlichen Arbeitnehmer. Letzteres führte zum Aufschwung des privatwirtschaftlichen Teils der Wirtschaft. Im Jahr 2016 belief sich die Zahl der nichtstaatlichen Arbeitnehmer auf 1.321.000, was 25 % der Gesamtzahl entspricht. Gleichzeitig wurde bis zu diesem Jahr ein Rückgang von 1.163.000 Arbeitnehmern im Staatssektor registriert. Außerdem wurde auch die Verpachtung von brachliegendem Land an Privatpersonen erlaubt. Bis Ende 2012 wurden rund 1,5 Millionen Hektar an 172.000 Privatpersonen übergeben. Weiterhin wurden auch nichtlandwirtschaftliche Genossenschaften möglich, wie zum Beispiel für Cafeterias, Bars, Schuhreparaturwerkstätten usw. Irgendwie versuchte Raúl, einen Teil der von seinem Bruder in der „Revolutionsoffensive“ beschlagnahmten Betriebe in Privatunternehmen zurück zu wandeln. Mit diesen Versprechen und Veränderungen erreichte der General eine Annäherung an die USA, deren Höhepunkt die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und der offizielle Besuch des Präsidenten der USA, Barack Obama, war. All dies führte zu einer gewissen wirtschaftlichen Stabilität des Landes und einer Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung. Einen Beitrag dazu leistete auch Venezuela, das 60 % des Landesverbrauchs an subventioniertem Öl lieferte.

Allerdings wurde die Makroökonomie noch stärker durch externe Faktoren angekurbelt, wie die Überlassung medizinischen Personals an verschiedene Länder, die Zunahme der Überweisungen von im Ausland lebenden Kubanern und dem Tourismus. Von der Bezahlung der Aufnahmeländer für die Überlassung des medizinischen Personals behält der Staat 75 %.

Die Verwaltung dieser Geschäfte wurde dem Militär der GAESA anvertraut, dessen Wirken nicht der Kontrolle offizieller Institutionen unterliegen, so dass die im Ausland erzielten Einnahmen die Insel nicht erreichen. Sie verbleiben auf Konten der Militärs bei ausländischen Banken. Die Geschichte der Parallelregierung wiederholt sich, dieses Mal jedoch nicht in den Händen einer einzelnen Person, sondern einer ausgewählten Gruppe von Militärs. Ihre Dimension ist größer als die vorherige, da GAESA 70 % der Volkswirtschaft und 95 % der Finanzen kontrolliert. Die Macht über die Wirtschaft wurde nahezu vollständig an diejenigen übergeben, die über Waffen verfügen. Das ist die größte Garantie für die Aufrechterhaltung der Diktatur.

Obwohl die Wirtschaft von der gestiegenen Beteiligung der Selbständigen profitierte, beharrten sowohl die Partei als auch die Regierung weiterhin auf der Vormachtstellung staatlicher Unternehmen und die zuvor genannten Strukturänderungen wurden nicht umgesetzt. Nach dem Besuch von Präsident Obama wurden keine neuen Lizenzen für Restaurants und andere Dienstleistungen vergeben. Die Zahl der für Selbstständige zugelassenen Gewerbe wurde von 201 auf 169 reduziert. Die Nießbraucher der brachliegenden Ländereien mussten sich den staatlichen Agrarunternehmen unterordnen und ihre Produkte stets an das Monopol „Acopio“ verkaufen, welches auch die Preise der Produkte festlegt, die allerdings immer unter dem Marktpreis liegen. Die landwirtschaftliche Entwicklung zeigte nicht das erwartete Wachstum, von 8 der 12 in der Tabelle aufgeführten Grundnahrungsmittel verringerte sich sogar die Produktion _1/.

Ausgewählte landwirtschaftliche und tierische Produktion in Tausende Tonnen. *Bei Eiern wurden Tausend Millionen gezählt. ** Beim Rind werden Tausend von Rindern gemessen, ***die Produktion verringerte sich gegenüber 1989.


Produkte19892009201420172.021
Knollen6811.5651.6711.8281.250
Bananen2916708361.015860
Gemüse6102.5402.4992.4831.713
Reis536564585404277***
Mais471327429373238***
Bohnen1411113513257
Milch924600588536374***
Eier*2.5232.4272.5722.5352.158***
Vieh     **4.9193.8934.1343.8663.657***
Fisch/ Meeresfrüchte19265565240***
Zitrusfrüchte825418979837***
Tabak4225193122***

Die Hoffnungen der Bevölkerung auf den von ihrem Regierungschef angekündigten Wandel wurden enttäuscht. Aber die Entwicklung einer unabhängigen Wirtschaftstätigkeit, obwohl begrenzt und verunglimpft, brach das Dogma des „vorsorgenden Staates“. Viele Kubaner zeigten ihr unternehmerisches Potenzial. Die wirtschaftliche Unterdrückung als solche wurde entkräftet.

Die Kontinuität

Im Jahr 2018 trat der General von der Präsidentschaft der Republik zurück und ernannte an seiner Stelle Miguel Díaz Canel. Fünf Jahre später bestätigte er ihn erneut im Amt und übertrug ihm den Vorsitz der Kommunistischen Partei. In seinen zwölf Amtsjahren gelang es Raúl Castro, die vorherige charismatische Führung des Landes in eine Militärjunta mit ziviler Vertretung umzuwandeln. Damit war die Kontinuität, das einzige Handlungsversprechen des neuen Staatsoberhauptes, gewährleistet.

Im Jahr 2019 wurden keine neuen Lizenzen für nichtlandwirtschaftliche Genossenschaften mehr vergeben, wodurch die Entwicklung nichtstaatlicher Arbeit weiter gelähmt wurde. Im Jahr 2020 schrumpfte die Wirtschaft um 11 %. Kuba lag damit als einziges Land auf dem amerikanischen Kontinent noch über Venezuela. Covid-19 war die Ursache für diesen Rückgang, eine Situation, die durch staatliche Maßnahmen noch verschärft wurde. Erstens durch die Förderung des Tourismus, während sich die Epidemie auf der ganzen Welt ausbreitete, und zweitens durch die Verzögerung der Impfung der Bevölkerung, da auf einen einheimischen Impfstoff gewartet wurde, der bis heute keine internationale Anerkennung gefunden hat.

Im Jahr 2021 versuchte das Regime im Rahmen des sogenannten „Auftrags zur Reorganisation“, die doppelte Währung und den Wechselkurs abzuschaffen, Löhne und Renten umzustrukturieren sowie die Preise anzupassen, alles auf einmal und alles ging schief. Die doppelte Währung nahm zu, so dass sich der US-Dollar als Zweitwährung etablierte. Damit wurde der Peso abgewertet, was zu einer Inflation führte, die im Jahr 2021 die höchste der Welt darstellte. Anfang August 2023 wurde der Dollar auf dem Schwarzmarkt für mehr als 230 Pesos gehandelt. Die Bevölkerung litt unter einer beispiellosen Verarmung. Die „Reorganisation“ berechnete die Kosten für den Warenkorbauf 3.250 Pesos als der Dollar auf dem Schwarzmarkt noch für etwa 60 Pesos angeboten wurde. Die enorme Abhängigkeit vom Ausland bei der Befriedigung des Inlandverbrauchs zeigt, dass die Kosten für die Grundversorgungen derzeit mehr als das Dreifache des Durchschnittsgehalts ausmachen und das Verhältnis bei Renten noch höher ist. Der Anstieg der Lebensmittelpreise hat seinen zentralen Grund in der Verringerung des Angebots. Im Durchschnitt verzeichneten sowohl das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als auch der Agrar- und Fischereisektor zwischen 2016 und 2021 erhebliche Rückgänge

Jährliche und durchschnittliche BIP-Raten nach Sektoren (in Prozent) _1/

Sektoren201620172018201920202021Promedio
Landwirtschaftlich0,5-1,52,8-10,8-23,5-13,3-7,7
Zuckerproduktion-19,419,7-43,731,5-11-31,8-9,1
Angeln und Meeresfrüchte1,633,8-11,7-3,5-8,3-3,34

Der kubanische Wirtschaftsminister gab zu, dass in diesem Jahr die gesamte landwirtschaftliche Produktion systematisch zurückgegangen sei. Es gibt auch keine Anzeichen einer Erholung. Der Tourismus, die drittgrößte Deviseneinnahmequelle des Landes, ist nicht nur aufgrund von Covid-19 zurückgegangen. Im Jahr 2022 erzielte der Tourismus weniger Einnahmen als vor der Pandemie _2/.

20192022Verändeung %
Touristen4.263.1151.614.087-62,1
Übernachtungen27.237.5908.441.755-69
Einkommen (MM USA) 2.645800-69,8
Einkommen pro Tourist620495-20,2
Belegungsrate  %48,215,667,6

Die Beschäftigungszahlen in den Ländern im karibischen Raum weisen deutlich höhere Raten auf als die Kubas _3/. Bezeichnend ist weiterhin, dass trotz der geringen Auslastung in den Jahren 2021 und 2022 mehr als 30 % des Staatshaushaltes für den Bau von Hotels aufgewendet wurden, deutlich mehr als für produktive und soziale Aktivitäten. Sogar der regierungsnahe Ökonom Dr. Juan Triana kritisierte, dass Investitionen in Hotels und nicht für Lebensmittel getätigt werden und hat dies in einer Grafik dargestellt_3/.

Übersetzungsnote

Investitionen in Landwirtschaft und Immobiliensektor(Millionen -Pesos) 2017-2022

Total   71.825,1

Investitionen in Landwirtschaft t, Viehzucht, Jagd und Forstwirtschaft 3.629,3

Unternehmensdienstleistungen, Immobilien- und Vermietungsaktivitäten  34.482,8

Die Antwort auf die Frage „Was ist der Grund für dieses absurde Vorgehen?“ kann aufgrund der mangelnden Transparenz des Regimes nur vermutet werden. Meine Vermutung wäre, dass die duale Regierung (Zivil und Militärjunta) unterschiedliche Interessen verfolgen. GAESA investiert, um Geldwäsche oder anschließende Hotelverkäufe durchzuführen. Die offizielle Regierung kann GAESA nicht behindern, muss sich allerdings mit dem Mangel an Nahrungsmitteln und Dienstleistungen befassen. Dieser Interessengegensatz kann unvorhergesehene Auswirkungen haben.

Die Quelle der größten externen Einnahmen, die Überlassung von medizinischem Personal, die sich 2018 auf 11.355 Millionen Dollar belief, wurde in den Folgejahren bis auf 5.845 Millionen Dollar im Jahr 2021 reduziert. Die Perspektive ist also nicht günstig. International wird dieses Geschäft eher als Sklavenarbeit angesehen. Im Jahr 2022 verringerte sich in Kuba selbst die Zahl des medizinischen Personals im Vergleich zum Vorjahr um 31.308. Die Überweisungen von im Ausland lebenden Kubanern, die im Jahr 2020 2.384 Millionen Dollar beisteuerten, sanken im folgenden Jahr auf 1.084 -1/. Die kubanische Diaspora beschloss, ihre Verwandten auf der Insel nicht mehr zu ernähren, sondern bei sich aufzunehmen. In den letzten zwei Jahren übersiedelten 366.000 Kubaner in die USA. Die Kubaner fühlen sich wie die Tiere im Zoo von Havanna, schlecht versorgt und ernährt und bereit, auszubrechen.

Andererseits fließen ausländische Investitionen nicht in einer Weise, dass sie den wirtschaftlichen Verfall ersetzen oder abmildern können. Das 2014 erlassene Gesetz über ausländische Investitionen, das 2.500 Millionen Dollar pro Jahr anziehen sollte, konnte bis heute nur 500 Millionen verwirklichen. Die Kapitalbildung, die die Regierung selbst auf 25 % als notwendig für nachhaltiges Wachstum schätzt, belief sich im Zeitraum 2008–2017 auf 10,3 % des BIP.

Die Wirtschaftskrise, die die Insel derzeit durchlebt, ist schlimmer als die in der „Sonderperiode“, da sie struktureller Natur ist. Alle Wirtschaftssysteme sind erodiert. Für die Reaktivierung des elektrischen Systems sind nach Expertenberechnungen 1.748 Millionen Dollar nötig. Aufgrund mangelnder Stromerzeugung gibt es täglich Stromausfälle. Diese konnten etwas durch die Anmietung von acht türkischen „Stromerzeugungs-Flößen“ reduziert werden. Allerdings ist die Miete teuer, 70 Millionen Dollar pro Monat. In der Vergangenheit war Zucker die wichtigste Exportquelle. Die Zuckerproduktion belief sich im vergangenen Jahr aber auf nur 473.000 Tonnen, das ist weniger als im Jahr 1861. Das Gesundheits- und das Bildungssystem befinden sich in einer Krise, sowohl aufgrund mangelnder Ressourcen als auch aufgrund fehlenden qualifizierten Personals. Kuba importiert 80 % der konsumierten Lebensmittel aber die landwirtschaftliche Produktion geht zurück. Das Regime führt die Ursache dieser Wirtschaftskatastrophe auf das US-Handelsembargo zurück, obwohl die USA der Hauptlieferant von Nahrungsmitteln sind und zusammen mit den Überweisungen und dem kubanisch-amerikanischen Tourismus den größten Teil des laufenden Staatseinkommens erbringen. Das Embargo verhindert zwar den Handel mit der kubanischen Regierung, nicht jedoch mit einzelnen selbständigen Akteuren. In den kubanischen Medien wird allerdings die nichtstaatliche Wirtschaft als Verursacher steigender Preise und Vermögenanhäufung einiger Weniger kritisiert.

Eine Reaktion der Regierung auf die Krise bestand darin, die Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen (KKMU) zu ermöglichen. Das seit 2011 geplante Gesetz trat einen Monat nach dem 11. Juli 2021, dem Datum der größten Volksproteste gegen die Regierung, in Kraft. Mit den KKMU erhalten in Kuba ansässige kubanische Unternehmer Rechtscharakter, der den Selbstständigen fehlte und den Bauern immer noch fehlt. Die neuen Unternehmer können exportieren und importieren, aber immer über die staatlichen Außenhandelsunternehmen. Die bisher 8.774 neu gegründeten Unternehmen konzentrieren sich hauptsächlich auf Handel und Dienstleistungen. Um landwirtschaftliche oder industrielle Güter herzustellen, sind Investitionen erforderlich, die sich nicht wie im Handel kurzfristig amortisieren und die Einbindung verschiedener Produzenten in das Wirtschaftsgefüge erfordern. Gefüge, das in dieser langen Zeit totalitärer Macht durch Beschlagnahmungen und das Fehlen einer Marktwirtschaft zerstückelt wurde. Das Regime pflegt sowohl Liebe als auch Hass zur nichtstaatlichen Wirtschaft, neigt aber zu letzterem. Obwohl die Eigentümer von manchen KKMU mit der Regierung verbandelt sind, treten sie als nichtstaatlich auf und tun so als seien sie wirtschaftlich offen und exportieren sogar in die USA. Aber offiziell wird propagiert, dass diese Unternehmen für die hohen Preise verantwortlich seien und es wird mit Beschlagnahmungen und Geldbußen gedroht. Die Realität hat jedoch wieder einmal gezeigt, dass die zentrale Planwirtschaft nicht funktioniert. Das Problem für die Regierenden besteht darin, dass die Marktwirtschaft sie daran hindert, wirtschaftliche Macht über die Bürger auszuüben.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Unterstützung der kubanischen Regierung für den Eindringling eröffnen die Möglichkeit, zuverlässige Investoren anzuziehen und Wirtschaftshilfe aus dem Land zu erhalten, das Castros Kuba jahrzehntelang subventioniert hat. Um diese Möglichkeit zu befeuern, hat Boris Titov, ein Berater des russischen Think Tanks „Stolypin-Institut für Wachstumsökonomie“ angekündigt, er wolle auf der Grundlage der russischen Erfahrungen ein Reformprogramm für Kuba vorschlagen, um eine wesentliche Verbesserung der Wirtschaftsverhältnisse zu erreichen und den Kapitalfluss auf die Insel zu erhöhen. Aber man darf nicht vergessen, dass Russland nicht mehr die Wirtschaftsmacht Sowjetunion ist und die aktuellen Handelsbeziehungen auch nicht mehr dieselben sind. Zwischen 2014 und 2019 betrug der Handelsaustausch mit Russland 1 %, deutlich weniger als der Austausch mit den USA (7 %). Zwar erhöhte sich das Handelsvolumen im Jahr 2022 auf beträchtliche 450 Millionen USD, verursacht durch russische Öl- und Sojaöllieferungen, das liegt allerdings immer noch unter dem Handelsvolumen mit den USA. Andererseits importiert Kuba beim Handel mit Russland 99 % des Gesamtvolumens, was angesichts der Produktionsbeschränkungen der Insel einen Anstieg der Schulden gegenüber dem eurasischen Land bedeutet. Obwohl Russland Kuba die Schulden in Höhe von 30 Milliarden Dollar erließ, musste ein Teil davon beglichen werden. Die Zahlung wurde im Jahr 2020 unterbrochen, so dass noch 57 Millionen ausstehen. Im Februar letzten Jahres ratifizierte die russische Duma eine Laufzeitverlängerung zur Begleichung dieser kubanischen Schulden. Die Laufzeit wird bis 2027 verlängert und der Kredit um weitere 11 Millionen erhöht. Hinzu kommen die 2.300 Millionen Dollar für einen neuen Kredit Russlands _1/.

Und es geht um die Schulden und ihre Lösung über die der „regimtreue“ Dr. Juan Triana erneut schreibt. Er empfiehlt, Schulden gegen Vermögenswerte einzutauschen. Darunter sind Hotels, Firmen und Grundstücke zu verstehen _4/.

Kurz gesagt, Kuba privatisieren, so wie von Boris Titov, dem derzeitigen Direktor des Russland-Kuba Wirtschaftsrats, empfohlen. Das bedeutet eine Rückkehr zum Kapitalismus aber nicht wie in der republikanischen Ära und nicht mit den wirtschaftlichen Freiheiten Chinas und Vietnams. Staatskapitalismus nach russischem Vorbild, etwas, das sowohl für das Militär attraktiv ist, das über die besten Vermögenswerte verfügt, als auch für den staatlichen Bereich, der durch den Verkauf ohne Ausschreibung sich einen guten Batzen sichern wird. Die empfohlene Privatisierung ist von Vorteil für die Machthaber aber sie bedeutet auch den Kontrollverlust über die Bürger mittels der Wirtschaft, eine wesentliche Voraussetzung des Totalitarismus. Aus diesem Grund wird das Regime autokratisch werden, mit weniger Ideologie, aber größerer Raffinesse bei der Kontrolle der Menschen und einem noch furchterregenderen Unterdrückungssystem.

Emilio Hernández

Quellen:

_1/ Mesa Lago, Carmelo; La economía de Cuba en tiempos de crisis: 2020-2022 y perspectivas para 2023 – La Joven Cuba

_2/ El turismo en Cuba es un negocio quebrado, sentencian economistas (martinoticias.com)

3/ Triana, Juan; La necesaria destrucción creativa del modelo agrícola cubano – OnCubaNews

_4/Juan Izquierdo; Ceder hoteles y recursos nacionales a los extranjeros no daría para pagar la enorme deuda de Cuba – 14ymedio