Die Toten der Revolution

Wenn der Titel dieser Note in der Zeitung Granma veröffentlicht werden würde, würde selbiger eine Zahl suggerieren: 20.000 Tote. Diese Zahl wurde nach dem Sturz Batistas in der Zeitschrift Bohemia veröffentlicht. Sie stand für die Anzahl menschlicher Verluste, die die Revolution gefordert hatte, um an die Macht zu kommen. Es war zugleich der erste Mythos dieser Revolution, da diese Daten jegliches Fundament entbehrten.

Beschämt diesen Irrtum veröffentlicht zu haben, legte der damalige Direktor von Bohemia, Miguel Angel Acevedo in seinem Abschiedsbrief, 1_/ bevor er sich das Leben nahm dieses Geständnis ab. Nichtsdestotrotz posaunen es die Claqueure 2_/ einer Regierung mit über einem halben Jahrhundert an der Macht, weiterhin heraus.

Unabhängig von der Faszination runder Zahlen, hat die revolutionäre Führung diese Zahl dazu benutzt die Schlacht zu verherrlichen, aus der sie als Sieger hervorging, aber auch für die Rechtfertigung zukünftiger Opfer, nämlich für jene, die notwendig wären, um sich an der Macht zu halten.

Laut dem prestigeträchtigem Projekt „Kubanisches Archiv“,3_/ das die menschlichen Opfer zu quantifizieren versucht, die dem Staatstreich Fulgencio Batistas zum Opfer fielen, gab es während der fast siebenjährigen Diktatur Batistas 3017 Tote. Die Toten sind auf beiden Seiten zu verzeichnen, bei den Kämpfen in den Gebirgen sowie in der Stadt. Seit dem 1. Januar 1959 jedoch wurden 5.725 Erschossene gezählt. Von diesen wurden während des ersten Jahrs der Revolution 1360 Menschen hingerichtet. In der Republik Kuba gab es keine Todesstrafe. Diese wurde mit der Machtübernahme der „Barbudos eingeführt, aber es gab auch einen Präzedenzfall in der Sierra Maestra. Während der 2-jährigen Kämpfe wurden 49 Menschen erschossen. Die meisten gehörten den revolutionären Truppen an oder waren Bauern aus dem Umfeld. Der Grund für diese Hinrichtungen war laut Che Guevaras 4_/ Berichten, dass es sich um Deserteure, Verräter, Mörder, Räuber oder Vergewaltiger handelte. Der Verfasser selbst erzählt detailliert von bestimmten Fällen und sogar von einer simulierten Hinrichtung von drei jugendlichen Kriminellen.

Die letzten Hinrichtungen auf Kuba fanden im sog. Schwarzen Frühling 2003 statt. Die Strafe wurde über drei junge Schwarze verhängt, die mit Gewalt, aber ohne Schaden anzurichten, ein Boot entführen wollten, um das Land zu verlassen. Diese Tat erregte große internationale Aufmerksamkeit.

Andere Gründe für kubanische Opfer sind die Kriege, die im Ausland geführt wurden.

1959 fand in der Dominikanischen Republik eine Expedition von Dominikanern und Kubanern statt. Seitdem nahmen Kubaner in Mittel- und Südamerika an vielen Kämpfen der Guerrillas teil. Aber die Höchstzahl der Toten lag in Afrika, weil dort ganze Heere teilnahmen. Allein in Angola, wo der Krieg fast 16 Jahre dauerte, waren 377.000 kubanische Soldaten 5_/ beteiligt. Die kubanische Regierung teilte die Zahl der Toten erst nach dem vollständigen Abzug der Truppen mit. In Angola fielen laut offizieller Statistik 2085 Soldaten, in Äthiopien 160 und 113 in anderen Ländern.

Kuba, das immer ein Land von Immigranten war, wurde von Beginn der Revolution an zu einem Land von Emigranten. Viele, die keine Gelegenheit hatten zu emigrieren, versuchten in mickerigen Booten ins Meer hinaus zu fahren und zu fliehen. Nicht alle hatten das Glück, die Vereinigten Staaten zu erreichen, denn viele wurden von Haifischen gefressen oder vom Meer verschluckt. Es gibt eine hohe geschätzte Zahl dieser Leute, aber mit namentlich sind nur 1.956 dokumentiert. Andere hatten nicht die Gelegenheit sich den Gefahren des Meeres auszusetzen, denn sie wurden von der Grenzpolizei erschossen, bevor sie in die Boote steigen konnten. Wieder andere starben als ihre Boote von Regierungsbooten angegriffen wurden.

Der grausigste Fall war der des Abschleppbootes 13. März. Dieses wurde im Juli 1994 entführt und wurde, bereits weit entfernt von der Bucht Havannas von staatlichen Booten eingeholt. Mit starken Wasserstrahlen wurden die sich an Deck aufhaltenden Menschen ins Meer gespült. Schlussendlich wurde die 13. März versenkt. 33 Menschen fielen 6_/ dieser Aktion zum Opfer, unter ihnen 10 Kinder im Alter zwischen 5 Monaten und 12 Jahren.

Grenzschutzboote, die den Vorfall aus der Nähe beobachteten, sahen tatenlos zu wie das Schiff sank. Kein einziger Bürger wurde aufgrund dieser Taten je verurteilt.

Der letzte Tote der Revolution (möge Gott wollen, es sei der Letzte) war Orlando Zapata Tamayo. Er starb nach einem mehr als 80-tägigen Hungerstreik, er verlangte als politischer Gefangener behandelt zu werden so wie Batista es Fidel Casto und allen anderen Aufständigen des Cuartel Moncadas zugestand. Trotz der Beleidigungen und Verleumdungen, die die offizielle Presse diesem Gefangenen zu Teil werden ließen, hat sein Tod große internationale Aufmerksamkeit erlangt. Dieses Glück hatte 1972 der 34 jährige Pedro Luis Boitel nicht, der nach 53 Tagen Hungerstreik starb, was die Regierung damals verheimlichen konnte

Beim Beenden dieser Zeilen befindet sich Guillermo Fariñas im Hungerstreik. Sein Martyrium begann mit Tamayos Tod.  Dieser unabhängige Psychologe und Journalist möchte nur, dass 26 schwer erkrankte Gefangene des schwarzen Frühlings 2003, auf Bewährung freigelassen werden. Mit großem Pessimismus fürchten wir, wie die Heldentat Fariñas enden wird. Diese Toten scheinen die regierenden Machthabern, die das Schicksal Kubas ewig in bestimmen möchten, nicht zu stören.

Emilio Hernández 26.03.10

Übersetzung: Patricia Guzmán

Quellen:

1_/ Abschiedsbrief Miguel Ángel Acevedo http://es.wikipedia.org wiki/Miguel_Anngel Quevedo
2_/ Rede des Außenministers der Republik Kuba, Bruno Rodríguez Parrilla, en el segmento de alto nivel del 13 periodo de sesiones del Consejo de Derechos Humanos, Genf, 3. März 2010.
3_/ Cancio Isla Wilfredo, El costo en vidas de la Revolución, El Nuevo Herald, 23.04.06 http://cubadata.blogspot.com/2006/04/41695-el-costo-en-vidas-de-la.html (Los datos recogidos en este artículo proceden de la misma fuente, siempre que no se especifique otra)
4_/ Rojas, Rafael, Justicia Rebelde, 09.06.08 http://www.elnuevoherald.com/2008/06/08/222608/rafael-rojas-justicia-rebelde.html
5_/ El nuevo Herald  http://www.elnuevoherald.com/2009/12/07/604349/cuba-rinde-homenaje-a-sus-soldados.html
6_/ http://www.cubaliberal.org/encuba/21072005-Represion_a_Familiares_de_victimas_Remolcador_13_de_Marzo.asp