Der mit dem Feind schläft

Am Dienstag, dem 10. Februar, wurde mein Ehemann Oscar González Ulloa von der politischen Polizei verhört. Die Strohmänner des Regimes nennen solche Verhöre üblicherweise „Gespräche“, aber meine Art ist es, die Dinge bei ihrem wirklichen Namen zu nennen, vor allem, wenn die besagte Begegnung nicht mit der Zustimmung des vermeintlichen „Gesprächspartners“ zählte und geprägt war von den üblichen freundschaftlichen Drohungen der Gegenspionage-Genossen von der so genannten Direktion 21 des Innenministeriums.

Am Montag, dem 9., als es schon nach 22:30 Uhr war, erhielt mein Mann, ein Ingenieur für Elektromechanik und seit über zwanzig Jahren bei der Handelmarine, einen Anruf: er wurde  einbestellt von „Selecmar“, seinem kubanischen Heuerbüro, er sollte sich am nächsten Morgen um 9:00 Uhr im Büro des  „subdirector de operaciones“ zu einem Arbeitstreffen melden. Obwohl der Anruf spät in der Nacht kam – was uns beide misstrauisch machte – bestand die reelle Möglichkeit, dass es um einen beruflichen Termin handelte, zumal er schon seit fast vier Monaten an Land ist und die Musterung für die neue Anheuerung beginnen sollte (Gesundheitscheck usw. ).

Wir wussten nicht, dass alles schon vorbereitet war für die Aufführung dieser Künstler im Lügen und Betrügen. Die Bühne war das Büro des Subdirector von „Selecmar“, die Schauspieler zwei Beamte der Staatssicherheit (ein „guter“, verbindlich, kumpelhaft, beinahe liebenswürdig, und der andere „böse“, wortkarg, mürrisch, streng); das Drehbuch war das übliche „wir wissen, wo deine Frau drinhängt, mit welchen Leuten sie sich trifft, dass dein Wagen zum Transport von Konterrevolutionären und von Dokumenten benutzt wurde, wir werden nicht zulassen, dass jemand die Sicherheit des Staates verletzt … usw.“ Ein „Gespräch“, das mit kaum verhehlten Drohungen gespickt war, wie die, ihn arbeitslos zu machen („du magst deine Arbeit sehr, Oscar? Du hast immer gut gearbeitet …); mit Fragen, die offensichtlich sein chauvinistisches Ego steigern sollten („du bist das Familienoberhaupt, aber nicht bei deiner Frau …. aber diese Yoani und die Gruppe, mit der sie sich trifft“);  mit Andeutungen, er werde von mir betrogen („glaubst du, dass du alles weißt…?“) und als meisterlichen Dolchstoß am Ende der sanften Begegnung, die niederträchtigste Frage: „Und dein Sohn…?“ Eine unmittelbare Drohung gegen unseren jüngsten Sohn von 20 Jahren, Student, völlig unbeteiligt an jeglicher Art von politischem Aktivismus, der sich vollständig seinem Studium widmet und seinem liebsten Zeitvertreib, der Musik.

Ein Lehrstück, wie verachtenswert und schäbig das System ist, eine vollkommene Missachtung der Familienwerte, das ist das wahre Gesicht des kubanischen Sozialismus.

Mit großer Genugtuung erkläre ich, dass mein Ehemann nicht schwach wurde, dass er sich weigerte, zu „kooperieren“, dass er seine Achtung für mich und das, was ich tue zum Ausdruck brachte, dass er Punkt für Punkt seine Ansichten verteidigte (die auch meine sind), auf die Gefahr hin, seine Arbeit zu verlieren – die über Jahre hinweg die einzige relativ sichere Quelle des Familienunterhalts war – und alle möglichen sonstigen Repressalien zu erleiden. Bis jetzt hatte ich an der Tatsache festgehalten, dass das Regime und seine faschistischen Methoden  meine Familie nicht behelligt hatte; der 10. Februar 2009 bezeichnete das Ende dessen, was nur eine indirekte Verfolgung war, mit Fragen und Ermittlungen auf der Ebene von Nachbarschaft und CDR, und es begann eine Phase des Mobbing von Seiten einer Regierung, die de facto den Prinzipien und Methoden die Ehre erweist, die sie de jure kritisiert: wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und jeder Vorwand ist recht, dich auszulöschen. Mein Ehemann wurde verhört wegen des einzigen und fürchterlichen Vergehens, eben das zu sein: seit fast 27 Jahren schläft er mit dem Feind.

Ich mache dieses Ereignis bekannt, um die Feigheit einer Diktatur anzuklagen, die nicht zögert, ihre absolute Macht gegen freigeistige Staatsbürger und deren Familien auszuüben, eine Regierung, die sich heuchlerisch versteckt, um zu drohen, die lügt, um zu verurteilen, die Repressalien anwendet und die eine halbes Jahrhundert lang bewiesen hat, zu welchen Exzessen sie fähig ist. Ich erkläre öffentlich, dass ich meine Ansichten nicht verschweigen werde, und dass ich bis zur letzten Konsequenz mein Recht verteidigen werde, sie auszusprechen, dass ich keinerlei Ungesetzlichkeit begehe und im Einklang mit der geltenden Verfassung handele, und dass ich ein freier Mensch bin und es auch bleiben werde, allen Aktionen zum Trotz, zu denen man sich noch entschließen wird.

Ab heute mache ich die kubanische Diktatur und ihre repressiven Organe für jeden Schaden  oder Nachteil verantwortlich, den ich oder ein Mitglied meiner Familie in Zukunft erleiden werden.

Miriam Celaya 

Artikel aus SinEVAsion 17.02.2009 http://desdecuba.com/sin_evasion/

Übersetzung: Heidrun Wessel