Fundamentalismus: Der Schlimmste aller Wirbelstürme

Tag für Tag treten die katastrophalen Auswirkungen des schweren Hurrikans Gustav, der vor kurzem über die Isla de Pinos* und die Provinz Pinar del Río hinwegfegte, deutlicher zutage. Jetzt kommen noch die Zerstörungen hinzu, die Ike vor allem in den östlichen und zentralen Regionen Kubas verursacht hat, bevor auch er über Pinar del Río hinweg zog, dort allerdings bereits als ein meteorologisches Phänomen von geringer Stärke (Kategorie 1). Die Zahl der betroffenen Familien, die ihre Häuser und ihre wenigen Besitztümer verloren haben, geht bereits in die Zehntausende (bekanntermaßen sind die Ärmsten immer diejenigen, die unter den schlechtesten Wohnbedingungen leben und die wenigsten Mittel verfügen, um ihr Eigentum zu schützen). Dazu kommen Stromausfälle in weiten Teilen des Gebiets, durch das der Hurrikan zog, sowie Schäden in der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen.

Die kubanische Wirtschaft, bereits zuvor schon in einer ununterbrochenen Phase der Depression versunken, ist ebenfalls stark gebeutelt worden. Es heißt, dass Gustav der schlimmste Hurrikan gewesen sei, der uns in den letzten 50 Jahren getroffen hat – und das scheint zu stimmen. Es sind eindrucksvolle Bilder der Verwüstung, die Gustav und Ike uns hinterlassen haben, ohne dass wir auch nur eine ungefähre Ahnung davon hätten, wie viel Zeit es in Anspruch nehmen wird, uns von dieser Zerstörung zu erholen. Vor allem wenn man bedenkt, dass wir nie dahin gekommen waren, uns von früheren Sturmschäden durch Hurrikane wie Michelle, Charlie und andere, zu erholen, die bereits Tausende kubanischer Familien in die miserablen Lebensbedingungen der „Herbergen“ führten. Viele von ihnen „warten“ weiterhin auf eine Lösung ihrer Probleme. Es ist offensichtlich, dass weder die Regierung in der Lage ist, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen und den Wohnungsmangel zu beheben, die über einen langen Zeitraum hinweg entstanden sind. Genauso wenig sind aber die Geschädigten dazu in der Lage, ihre Situation selbst zu verbessern. Viele Personen sind stattdessen komplett von den unzureichenden Mitteln des Staates abhängig.

Inmitten dieses so dramatischen Szenarios und just als die ersten Flugzeuge mit Hilfsmitteln für die Opfer eingetroffen waren, verbreitete sich die Nachricht des US-amerikanischen Angebots humanitärer Hilfe und dessen Ablehnung durch die kubanische Regierung.

Im ersten Moment stellten beide Regierungen dabei Forderungen auf, die man folgendermaßen zusammenfassen könnte: Die nordamerikanische Seite forderte vor dem Senden von Hilfsgütern eine Evaluation der Schäden durch eigene Spezialisten, die kubanische verweigerte ihr das und forderte die Aufhebung des Embargos, bevor auch nur irgendein Vorschlag akzeptiert werden würde und argumentierte dabei auf Grundlage der Annahme, dass ein Jahr Handelsembargo dem Land größeren Schaden zufügt, als die durch die beiden Wirbelstürme verursachte Zerstörung.

Kürzlich akzeptierte die nordamerikanische Regierung Hilfe ohne die Präsenz seiner Inspektoren zu senden. Doch diese Information wurde von der kubanischen Presse nicht verbreitet. Allerdings bestehen, laut einer Meldung, die in der Granma** vom Montag, dem 15. September veröffentlicht worden ist, die kubanischen Regierenden darauf, dass „unser Land nicht eine Spende von derselben Regierung annehmen kann, die uns boykottiert…“; obwohl sie gleichzeitig bei der Regierung der USA um eine Genehmigung ersucht, damit Unternehmen dieses Landes durch Einkäufe seitens Kuba die unbedingt erforderlichen Materialien nach Kuba liefern können und ebenfalls die entsprechenden Kredite für diese wirtschaftlichen Transaktionen genehmigt werden. Es ist offensichtlich, dass die kubanische Regierung sich in einer ausweglosen Situation befindet, die sie dazu zwingt, den Erzfeind um mindestens sechs Monate Gnade zu bitten. Ohne Zweifel ist das jedoch ein unzureichender Vorschlag, um der Krise beizukommen. In diesem Kapitel der Auseinandersetzung spielt die nordamerikanische Regierung den politischen Vorteil durch eine Prüfung der Vernunft der starren Haltung seines kubanischen Gegenübers aus.

Aber die kubanische Regierung nahm das Hilfsangebot der Europäischen Union ebenso wenig an und aufgrund welchen Makels weiß man nicht, denn die EU hat Kuba niemals mit einem Embargo belegt. Dementsprechend ist dieses Angebot in den offiziellen kubanischen Medien nie aufgetaucht. Das führt dazu, dass die Geschädigten dank eines absurden Fundamentalismus gezwungen sind, neben der Zerstörung des Hurrikans, der auf seinem Weg alles dem Erdboden gleich gemacht hat, auch noch die Attacken der Politik zu ertragen.

Bis jetzt haben diejenigen Parteiführer, die in die Katastrophengebiete reisten, die Bevölkerung zum „Glauben an die Revolution“ aufgerufen. Doch die Betroffenen benötigen ohne Zweifel weit mehr als Glauben und Versprechungen. Wir wissen nicht, wie die Hunderten von Familien darüber denken, die – ohne ein eigenes Dach über dem Kopf und ohne viel Hoffnung, dies in absehbarer Zukunft wieder zu erlangen – sich derzeit in Notunterkünften oder den Wohnungen von Verwandten und solidarischen Nachbarn zusammendrängen und die völlig von der Regierung abhängig sind, bis hin zur Versorgung mit Lebensmitteln. Doch ist zu erwarten, dass deren Ansichten sich mehr im Einklang mit der Situation befinden, die sie gegenwärtig erleiden, als mit Parolen und politischen Interessen jedweder Couleur. Nicht zufällig ist kein Revolutionsführer bekannt, dessen Familie in einer Notunterkunft hätte unterkommen müssen oder dessen Haus zusammengestürzt wäre. Aus diesem Grund sind weder sie noch die höchsten Instanzen der Regierung am besten dazu geeignet, über das Annehmen oder Zurückweisen von Hilfsangeboten zu entscheiden. Es wäre wunderbar, wenn für ein glückliches erstes Mal das menschliche Ausmaß der Tragödie gegenüber den Interessen und politischen Erpressungen der Regierungen – und der politischen Lager, die sie repräsentieren – zurücktritt. Zurücktritt, hinter den Animateuren eines Konflikts, dessen Opfer von Beginn an immer dieselben gewesen sind: die einfachen Kubaner von der Insel.

Eva González

Artikel aus desdecuba.com

Anmerkungen der Übersetzerin:

* Isla de Pinos: 1978 in Isla de Juventud umbenannt 
** Granma: Offizielles Presseorgan der Kommunistischen Partei Kubas

Übersetzung: Bettina Hoyer