Das Recht Tourist zu sein

Ich persönlich bin ein entschlossener Anhänger davon, dass ein Wechsel zur Republik der Zukunft  in Kuba mittels eines möglichst schmerzfreien Überganges vollzogen werden sollte. Und ich glaube in diesem Punkt stimmt mir die Mehrzahl der Kubaner bei, die auf der Insel und in der Diaspora leben. Aber ich gebe mir immer Mühe, zu unterscheiden zwischen den Dingen, die tatsächlich eine Veränderung bedeuten und anderen Dingen, die nicht geschehen und nur Tarnung sind.  Zwischen dem was neu ist und was dasselbe geblieben ist. Zwischen – auf den astreinen hegelianischen Dialekt zurückgreifend- einer einfachen quantitativen Veränderung und was sich in Wirklichkeit als qualitativer Fortschritt herausstellt.

  Ich halte in diesem Redefluss ein, um die Aufmerksamkeit auf den Enthusiasmus unter Analysten, Beobachtern und Journalisten über den verflixten Artikel 265 der vom VI. Kongress der Kommunistischen Partei Kubas verabschiedeten Richtlinien zu lenken, Wobei am Ende dieses Artikels, beinahe wie zufälligerweise ein Satz hinzugefügt wurde, der besagt, „Eine Politik studieren, die es den kubanischen Bürgern des Landes erleichtert ins Ausland zu reisen wie Touristen“.

Das erste Auffällige ist die Formulierung.  Schauen Sie mal, wie viele Umschweife, um zum Kern zu gelangen. Wie viele Windungen, um zu sagen, dass sie den Kubanern das erlauben könnten, was jede andere beliebige Person auf dem größten Teil der Erde machen kann, wenn sie diesen Wunsch,  Visa und Geld hat. Und dies ist in welchem Teil der Erde auch immer- mit einigen Ausnahmen- eine sehr einfache Entscheidung. Aber in Kuba ist dies eine Entscheidung von weitreichender politischer Auswirkung.

 Wenn den Kubanern freies Reisen tatsächlich erlaubt wäre, würde das kubanische politische System ausbluten. Auf der einen Seite würde die politische Kontrolle über den Teil der Bevölkerung verloren gehen, die jetzt nicht die offizielle Erlaubnis zu reisen bräuchte und infolgedessen wäre es nicht mehr zwingend sich „angemessen“ zu verhalten um eine Reise genehmigt zu bekommen, die nicht nur die geistige Erweiterung durch den Kontakt mit der restlichen Welt und anderen bedeutet, sondern auch die Befriedigung vieler grundlegender familiärer Bedürfnisse. Auf der anderen Seite würde es wahrscheinlich ein Element der Zerrüttung einführen, wenn der kubanischen Bevölkerung der Kontakt mit der Außenwelt gestattet wäre. Auf deren absolut sündhafter Beschreibung basiert die kubanische Führung eines der Argumente für die Überlegenheit des kubanischen „Sozialismus“. Und schließlich, was nicht weniger wichtig ist in mitten chronischen finanziellen Hungers des Staates, würde es bedeuten, auf mehrere Millionen Dollar zu verzichten.

 Insgesamt ist es vorhersehbar, dass in dieser „Studie von Maßnahme die vereinfachen“, Reisen keine Priorität haben wird und es wird lange dauern, dass hierzu etwas entschieden wird.  Des Weiteren ist auch vorhersehbar, dass es keine wesentliche Veränderung bedeuten wird, sondern wahrscheinlich ein Teilabbau.  Zum Beispiel könnte auf die Einladung verzichtet werden. Es könnte einen allgemeinen Rabatt von Kosten oder eine Beschleunigung der beschwerlichen Maßnahmen geben, wie zum Beispiel die feudalistisch anmutende Formalität des „keinen Einwandes“,  der von der letzten Arbeitsstelle angefordert muss, in der der potenzielle Reisende arbeitete. Ich glaube nicht, dass es mehr wird.

 Es gibt nichts qualitativ Neues. Auf der einen Seite ist es viel Tarnung, eine politische List, die den Regierenden den moralischen Druck nimmt, ihnen den Beifall der wenig informierten Beobachter und des Mobs von abhängigen Bewunderern einbringt, die nur auf ein Augenblinzeln warten um sie davon zu überzeugen, dass sie geliebt werden. Aber hauptsächlich ist dieser Schritt, wenn er getan würde,  ein Beispiel dafür, dass das kubanische System leichte Schwenkungen im politischen Bereich vornehmen muss damit die Veränderungen in der Wirtschaft funktionieren. Und vor allem geht es hierbei darum, den neuen Reichen und der heranwachsenden Mittelschicht (ausgebrütet durch staatliche Geschäfte, durch Technokratie, die an ausländische Geldanlagen und den Schwarzmarkt gebunden ist) eine Möglichkeit Geld auszugeben zu bieten, um mangelnden Anreiz und unfruchtbares Horten zu vermeiden.

 Mehr gibt es nicht. Und damit sich niemand irrt, die Parteiführung hat diesen Punkt in das Kapitel über Ökonomie und Tourismus eingefügt und nicht unter Bürgerrechte.

 Es ist, wie schon der Alte Vito sagte, pures Geschäft.


 Haroldo Dilla Alfonso, Santo Domingo, 06.06.2011

 Übersetzung: Carla Krauss

 Artikel aus http://www.cubaencuentro.com/cuba/articulos/el-derecho-a-turistear-263758